Steuerfachangestellte beim Stadtrundgang mit Stationen der NS-Zeit in München
Zu einer Stadtführung der etwas anderen Art begaben sich die Schülerinnen der Klasse Steuer 11 der Kaufmännischen Berufsschule Deggendorf in München.
Die bayerische Landeshauptstadt dient hier als Bühne für die Vertiefung von Inhalten des Sozialkundeunterrichts zur Thematik „Nationalsozialismus und Drittes Reich“: Denn von hier aus erfolgte der Aufstieg der braunen Bewegung nach dem Ersten Weltkrieg, hier fanden der Putschversuch und der Prozess gegen Hitler statt, hier fand dieser einflussreiche Förderer, die ihm den Aufstieg in das bürgerliche Lager ermöglichten, von hier aus rief Goebbels zum reichsweiten Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung auf. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 erhielt München, nachdem Hitler die Stadt als Ort der kultischen Repräsentation des Regimes auserkoren hatte, die Titel „Hauptstadt der Deutschen Kunst“ und „Hauptstadt der Bewegung“.
Der Fahrt nach München voraus ging die Erarbeitung von geschichtlichen Inhalten. Ausgehend vom 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs, über die Versailler Friedensverträge und die Weltwirtschaftskrise 1929 bis hin zu Entstehung, Ausbreitung und Ausdehnung des Dritten Reiches. Einen besonderen Focus lenkte OStR Johann Kuchl, der dieses Unterrichtsprojekt geplant und konzipiert hatte, auf die Situation und die Auswirkungen dieser politischen Umwälzungen auf den „kleinen Mann“, auf die einzelnen Menschen. So erhielten die Schülerinnen Arbeitsaufträge, in ihren Familien über diese Zeitepoche nachzufragen. Ebenfalls thematisiert wurde der Widerstand im NS-Regime. Die „Weiße Rose“, eine Studentengruppe um die Geschwister Scholl stand hier im Mittelpunkt der Betrachtungen. Der gleichlautende Film verdeutlichte dies zusätzlich.
Erste Anlaufstelle in der Landeshauptstadt München war der Justizpalast. Hier besichtigten die angehenden Steuerfachangestellten den Gerichtssaal Nr. 253. Dies ist der Raum, in dem Hans und Sophie Scholl im Februar 1943 zum Tode verurteilt wurden. Betroffenes Schweigen machte sich breit, als man den Raum betrat.
Durch den alten Botanischen Garten gelangten die Deggendorfer Schülerinnen zum Bayerischen Landesamt für Steuern. An der Fassade dieses Gebäudes sind die Spuren der Geschichte in Form des Reichsadlers mit Lorbeerkranz deutlich zu erkennen. Auf dem Weg zum Königsplatz passierten die Kaufleute aus Deggendorf mit OStR Johann Kuchl und StRin Kathrin Pfeffer noch den ehemaligen „Führerbau“ (jetzt Musikhochschule) und den „Verwaltungsbau“ (jetzt Kulturinstitute der LMU). Hier befanden sich die Schaltzentralen der NSDAP. Nahezu eine Kultstätte in der NS-Zeit war der Königplatz. Ursprünglich von König Ludwig I als „Isar-Athen“, als kulturelles Zeichen konzipiert, diente dieser Ort ab 1933 der Verherrlichung des Regimes durch Aufmärsche, kultische Inszenierungen und Platz für die Vereidigung von Rekruten.
„Wie im Film!“, gaben die angehenden Steuerfachangestellten spontan von sich als man sich in der nächsten Station, dem Lichthof der Ludwig-Maximilians-Universität einfand. Von der Balustrade wirbelten tatsächlich Flugblätter zu Boden. Die „Inszenierung“ war perfekt! Nur mit dem kleinen Unterschied, dass wir uns nicht im Jahr 1943 befanden und das verstreute Papier keine Flugblätter der Widerstandsgruppe „Die Weiße Rose“ waren, sondern Einladungen zu einer Semester-Abschluss-Party im Juli 2014. Es war äußerst beeindruckend, an der Wirkungsstätte des Studenten-Widerstandes zu weilen und nachdenklich durch das Dokumentationszentrum zu gehen.
Über die Ludwigstraße gelangte die Gruppe schließlich zum Odeonsplatz. OStR Johann Kuchl informierte die Schülerinnen abschließend noch über den geschichtlichen Hintergrund der „Feldherrnhalle“ und warum die dahinterliegende Viscardigasse im Volksmund „Drückebergergassl“ heißt.
„So haben wir München noch nie gesehen!“, äußerten die Schülerinnen der Klasse Steuer 11 einhellig und verschwanden in Trubel und Geschäftigkeit der Fußgängerzone …
Johann Kuchl