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Schüler beteiligen sich an Archiv-Projekt über Nazi-Verbrechen

Zahlreiche Schüler waren zum Vortrag in den Kapuzinerstadl gekommen, um zu erfahren, wie sie sich am Projekt #everynamecounts beteiligen können. −Fotos: Millgramm (PNP)Deggendorf. "#everynamecounts" ist eine Initiative der Arolsen Archives, mit dem Ziel, den Verfolgten des Nationalsozialismus ein digitales Denkmal zu errichten. Als Engagierte in diesem Projekt gab jetzt die Schülersprecherin der Kaufmännischen Berufsschule Deggendorf, Lea Vogl, im Kapuzinerstadl detaillierte und praktische Einblicke für Schulklassen.

Schulleiter Johann Riedl begrüßte die Schüler, die im Rahmen der Veranstaltung live dabei und online via Teams die Möglichkeit hatten, sich über das Projekt zu informieren. "Wir haben uns nicht nur die Vermittlung von Wissen und Können auf die Fahnen geschrieben, sondern wollen auch Herz und Charakter bilden", wandte er sich an die jungen Leute. "Wir begleiten Sie dabei, sich zu einer kritisch urteilenden und informierten Persönlichkeit zu entwickeln." Die Kaufmännische Berufsschule Deggendorf sei als eine von nur elf Berufsschulen und als einzige in Niederbayern zum Schulversuch "Werte.BS" zugelassen. Zielsetzung des Modellversuches ist es, das Interesse junger Menschen für Demokratie und demokratische Prozesse zu wecken und sie für die Werte unserer Gesellschaft zu begeistern. "Die Zukunft können wir nur gestalten, wenn wir die Vergangenheit kennen", brachte es Riedl außerdem auf den Punkt. "Deshalb wenden wir uns heute einem der schwärzesten Kapitel unserer Geschichte zu."

Als Engagierte im Projekt gab die Schülersprecherin der Kaufmännischen Berufsschule, Lea Vogl, Einblicke.

In diesem Kontext und im Rahmen der Deggendorfer Wochen der Begegnung durfte Lea Vogl, Sparkassen-Auszubildende im zweiten Lehrjahr und dritte Schülersprecherin, das Projekt "#everynamecounts – jeder Name zählt" vorstellen, mit dem sie sich seit April befasst hatte. "Das Projekt ist sehr wichtig und es ist ganz einfach mitzumachen", motivierte die 22-Jährige gleich zu Beginn. Ganz getreu dem Motto, dass das Internet nie vergisst, wolle man hier diesen Fakt nutzen. "Zu ihrem Schutz sollen rund 30 Millionen Dokumente aus der Nazizeit digitalisiert werden." Gleichzeitig sollen sie auch für die Öffentlichkeit verfügbar gemacht werden. Diese Dokumente befinden sich derzeit in den Arolsen Archives, einem Zentrum in Bad Arolsen in Hessen, dem weltweit umfassendsten Archiv über die Opfer und Überlebenden der NS-Zeit, welches auch zum Thema Verbrechen durch die Nazis forscht und bildet. Die Sammlung gehört zum Unesco-Weltdokumentenerbe. "Hier wurden Hinweise zu rund 17,5 Millionen Namen zusammengetragen", so Vogl. Entstanden sei die Einrichtung aus dem 1949 gegründeten International Tracing Service, der sich mit der Aufklärung der Schicksale von Opfern der Nationalsozialisten, Zwangsarbeitern und Displaced Persons befasste.

Zum Gedenken habe man zur Erfassung all dieser Dokumente auch 25 Schulklassen mit an Bord geholt. Die bekamen in der Testphase im Archiv eingescannte Dokumente zur Verfügung gestellt und haben dann die Namen der beschriebenen Personen in einem digitalen Register erfasst. "Denn Suchende, die etwas über das Schicksal ihrer Familienangehörigen erfahren wollen, können nicht Millionen Dokumente durchsehen." Um wie angepeilt bis 2025 alle Namen in dem Suchregister zu erfassen, setzt man inzwischen auch auf die Hilfe von Freiwilligen. Jeder kann online auf www.zooniverse.org/projects/arolsen-archives/every-na me-counts eingescannte Dokumente wie zum Beispiel Häftlings-Personalkarten aufrufen und die wichtigsten persönlichen Daten von Häftlingen aus Konzentrationslagern und die ihrer Angehörigen in eine vorgegebene Maske eintragen. "Hinter jeder Akte steckt ein grausames Schicksal", stellte Vogl betroffen fest. "Es ist manchmal wirklich schwer das neutral zu betrachten." Trotzdem sei die Aufgabe wichtig, da man so Familien helfen könne, die Schicksale ihrer Angehörigen zu klären. Denn immerhin würden auch heute noch rund 20000 Suchanfragen pro Jahr im Archiv eingehen. Manche Akten würden nur noch existieren, weil Häftlinge sie aus einem Konzentrationslager schmuggelten. Dahinter steckte die Hoffnung, dass die Akten gefunden werden für die Familien von Angehörigen und künftige Generationen.

Dass jeder Name nun auch bei den Deggendorfer Schülern zähle, dieser Hoffnung brachte auch Riedl zum Ausdruck, der nun auf eine gute Beteiligung der Schüler an dem Projekt hoffte. Dazu hatte auch Vogl motiviert, die anschaulich erklärt hatte, wie einfach es ist sich zu beteiligen.− mil

Quelle: PNP vom 11.10.2021